Die Wohnsituation ist ein großes Problem
Die Wohnsituation ist ein großes Problem
Staatssekretär Jo Dreiseitel (Grüne) vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration sprach auf Einladung des „Lions Club Rüsselsheim Cosmopolitan“ über das Thema „Integrationspolitik in Hessen“.
Von SUSANNE RAPP
„Der Lionsclub hatte noch nie einen Vortrag, der so aktuell ist“, begrüßte Paul Reuter, der Präsident des Lions Clubs Rüsselsheim Cosmopolitan, die rund 30 Besucher und berichtete über verschiedene Projekte, die der Club zur Flüchtlingshilfe bereits umgesetzt hat. Hierzu gehörten auch eine Weihnachtsgeschenkaktion für Flüchtlingskinder und die Gründung eines Fonds, mit dem ehrenamtlich Tätige in diesem Gebiet unterstützt werden.
Staatssekretär Jo Dreiseitel fokussierte seinen Vortrag am Mittwoch auf die Flüchtlingshilfe, die von der Landesregierung als besonderer Punkt der Integrationsarbeit festgelegt worden war. Im Januar 2014 gab es in Hessen nur eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Heute existieren bereits 37 und zusätzlich 18 Notunterkünfte. Oberstes Ziel der Landesregierung sei es, Obdachlosigkeit zu vermeiden und jeden menschenwürdig zu behandeln. „In Hessen werden wir nicht an der Flüchtlingsfrage scheitern“, betonte der Staatssekretär.
Ein hessischer Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und der Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts wurde verabschiedet, in dem zehn Schwerpunkte mit 110 Einzelprojekten festgelegt sind. Bis Ende März soll auch ein nationaler Aktionsplan verabschiedet werden. Für die Umsetzung der Schritte werden 2016 rund 1,3 Milliarden Euro bereitgestellt. Denn, so Dreiseitel, es gehe nicht nur um die Menschen, die ins Land kämen, sondern auch um die gesamte Zukunft des Landes. 7,3 Prozent aller Deutschland erreichender Flüchtlinge kämen nach Hessen. Daher werden 600 neue Stellen für die Betreuung geschaffen.
Ein besonderes Anliegen Dreiseitels ist die Betreuung der minderjährigen unbegleiteten Jugendlichen. 3000 gebe es derzeit in Hessen. Ein Blick auf die Schicksale der jungen Menschen und deren Biografien zeige „geschundene Seelen, die grausame Verhältnisse erlebt haben“. Viele kämen traumatisiert nach Deutschland.
Ein großes Problem sei in Hessen die Wohnsituation. An elf Standorten seien provisorisch Zeltlager errichtet worden. 230 Millionen Euro sollen bis 2019 in den Wohnungsbau investiert werden. Es dürfe aber kein „Wohnungsbau Deluxe“ werden, denn es gelte dafür zu sorgen, dass es keine Verlierer auf dem Wohnungsmarkt gebe. Dies gelte auch für alle Wohnungssuchende.
Es gebe zudem Bedenken in der Bevölkerung darüber, wie so viele Menschen mit unterschiedlichen Kulturen integriert werden könnten. Es gelte zu verhindern, dass Ghettos und Parallelgesellschaften entstehen. Sprache und Ausbildung seien zentrale Punkte für die Integration. 800 neue Stellen würden für Lehrer entstehen, die in Schulen und für die Erwachsenenbildung eingesetzt werden. Für den Zugang zum Arbeitsmarkt spiele die berufliche Erstausbildung eine zentrale Rolle. Auch bei der Ausbildungsplatzförderung gebe es, so Dreiseitel, in Hessen gute Möglichkeiten, da ein „robuster Arbeitsmarkt“ mit derzeit 2,1 Millionen offenen Arbeitsplätzen existiere.
Der Staatssekretär zeigte sich zuversichtlich, dass diese Schritte sich umsetzen ließen, wenn auch nur längerfristig. Die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und die ehrenamtliche Arbeit verlaufe sehr gut. Denn ohne das hohe ehrenamtliche Engagement würde Hessen heute nicht so gut dastehen. Auch bei der Polizei würden neue Stellen für die Bekämpfung von religiösem Fanatismus und Rassismus installiert.
Alle drei Tage gebe es einen Brandanschlag auf ein Asylheim. Das seien im vergangenen Jahr mehr als 1000 Übergriffe gewesen, die als Terroranschläge bezeichnet werden könnten. Es sei, so der Staatssekretär, mit aller Härte eines Rechtsstaates dagegen vorzugehen. Dreiseitel appellierte an die Zivilgesellschaft, sich den kriminellen Akten mutig entgegenzustellen und auch bei den Wahlen am 6. März demokratischen Parteien ihre Stimme zu geben.
Hessen habe eine lange Zuwanderungsgeschichte, resümierte er. 2015 seien 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Hessen gekommen, was 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung entspreche. Die Heimatvertriebenen nach 1945 stellten 25 Prozent der Bevölkerung: „Was wir erleben, ist kein singuläres Ereignis.“